RetrodigitalisierungenRetro-digitization

Retrodigitalisierungen

Eine vergleichsweise einfache Möglichkeit zur digitalen Veröffentlichung wissenschaftlicher Editionen ist die Digitalisierung bestehender gedruckter Ausgaben. Idealerweise entsteht damit kein neuerlicher editorischer Aufwand, sondern die bestehenden Inhalte werden lediglich technisch aufbereitet und einer Zweitverwertung zugeführt. Diese Aufbereitung kann dabei auf verschiedene Weise erfolgen: Am einfachsten ist es sicherlich, ein einfaches PDF der gedruckten Ausgabe vorzulegen. Dieses Verfahren ist bei digital produzierten Ausgaben besonders einfach, da in diesem Fall bereits PDF-Dateien vorliegen. Aber auch bei älteren Ausgaben ohne digitale „Rohdaten“ können mittels Scans recht unkompliziert Retrodigitalisate angefertigt werden. Diese lassen sich mittels Optical Character Recognition (OCR) um die Möglichkeit einer Volltextsuche erweitern, wodurch der Komfort der Ausgabe gegenüber der gedruckten Vorlage deutlich gesteigert wird; bei digital produzierten Vorlagen ist diese Möglichkeit dagegen automatisch gegeben.

Eine aufwendigere, aber möglicherweise auch gewinnbringendere Form der Retrodigitalisierung ist die vollständige Umsetzung der Inhalte in eine digitale Präsentation. Dies beinhaltet eine komplette Neustrukturierung und Anpassung an das veränderte Medium, etwa um abweichenden Lesegewohnheiten durch kürzere, dafür aber stärker gegenseitig bezugnehmende (verlinkte) Texte gerecht zu werden. Auch die verstärkte Integration von Faksimiles bietet sich für eine Retrodigitalisierung an. Je stärker die Inhalte der Ausgabe aber an das digitale Medium angepasst werden, umso mehr werden automatisch auch medienspezifische Entscheidungen und Konventionen der Buchvorlage als ungeeignet für eine digitale Publikation in Erscheinung treten. Dies gilt insbesondere für die Einzelanmerkungen des Kritischen Berichts, die in der Vorlage in aller Regel tabellarisch aufbereitet werden, im digitalen Medium aber spätestens im Angesicht der relevanten Faksimiles neu formuliert werden müssen. Eine solche Aufbereitung nutzt also idealerweise die Möglichkeiten des digitalen Mediums deutlich besser aus, bedeutet dafür aber einen erheblich höheren Aufwand in der Vorbereitung. „Schlimmstenfalls“ werden während der Publikation editorische Fehlentscheidungen der Vorlage sichtbar, deren Korrektur zu einer Inkonsistenz beider eigentlich inhaltsgleichen Ausgaben führen muss.

Beispiele für Retrodigitalisierungen sind etwa die Neue Mozartausgabe (http://dme.mozarteum.at/nma), welche im Wesentlichen ein um hilfreiche Querverweise zwischen Kritischem Bericht und zugehörigem Notentext erweitertes PDF bietet, aber auch die digital vorgelegten Bände der Weber-Gesamtausgabe (http://www.weber-gesamtausgabe.de), deren Edirom-basierte Ausgaben teilweise nach, teilweise zeitgleich mit den gedruckten Bänden erarbeitet werden.